ÜBER DIE KONTROLLE DES LACHENS
Über Geschmack läßt sich ja bekanntlich streiten. Doch in jüngster Zeit wird nicht mehr darüber gestritten, denn immer mehr wird versucht, den Menschen vorzuschreiben, wer, wann, worüber lachen darf.
Foto by pictre alliance/Westend61
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Der Streit zur Kunstfreiheit ist in Deutschland mal wieder entfacht worden. Was für die einen ein witziges Sauflied ist, ist für die anderen ein Stein des Anstoßes. Immer mehr wird versucht, den Menschen vorzuschreiben, wer, wann, worüber lachen darf.
Die Debatte um den Song „Layla“ bewegt in Deutschland gerade die Gemüter. Der Song von DJ Robin & Schürze wurde wiederholt als sexistisch kritisiert. In Würzburg war „Layla“ sogar von einem Volksfest verbannt worden. Für den Produzenten Hüftgold alias Matthias Distel ist dieses Kontrollgebaren unverständlich, er kann dem Sexismus-Vorwurf nichts abgewinnen. „Die Frau ist ein wunderschönes Vorbild für wunderschöne Kunst. Nicht alles, was Frauen besingt, ist Sexismus“, schreibt er in seinem Statement und beruft sich auf die Kunstfreiheit.
Künstlerische Freiheit oder Geschmacklosigkeit?
Humor ist eine individuelle Eigenschaft und gibt es schon seit Jahrtausenden. Es gibt verschiedene Arten von Humor, wie Sarkasmus, Komik, Zynismus, Satire, Witz und schwarzen Humor. In vielen Kunstformen findet man humoristische Ansätze. So diente beispielsweise das Kabarett dazu, in Form der Satire oder Polemik gesellschaftskritisch, komisch-unterhaltend und/oder künstlerisch-ästhetisch die „politische Ereignisse persiflieren, die Menschheit belehren, ihr ihre Dummheit vorhalten, dem Mucker die schlechte Laune abgewöhnen.“ Umso mehr verwundert, dass die Aktion „#allesdichtmachen“ Ende April 2021 so eine negative Resonanz in der deutschen Gesellschaft, vor allem aber auch bei den Politikern hervorrief. Noch verwunderlicher ist die teils aggressive Reaktion vieler Mitbürger, Medien und Politiker auf die deutsche Kabarettistin Lisa Fitz, die seit 1983 die Deutschen mit ihrem Humor zum Lachen bringt und dabei Regierungen, Politiker und Institutionen - zum Vergnügen aller - durch den Kakao gezogen hat. Seit 2020 nimmt sie nun die kopflose Corona-Politik der Regierung auf die Schippe und nun gilt sie als rechtspopulistisch. Der Sender 3sat hat sie aus seiner Mediathek verbannt, mit dem SWR hängt der Haussegen schief. Seit wann ist denn in Deutschland Lachen verboten? Was ist passiert?
Blasphemie oder menschlicher Wesenszug?
Ernst Robert Curtius stellt in seinem 1948 erschienen Werk Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter fest, dass in der mittelalterlichen Christenheit zwei Einstellungen gegenüber dem Lachen existierten. Die erste Tradition entwickelte sich aus dem Lentulus Brief, der besagt, dass Jesus entsprechend dem Neuen Testament Zeit seines irdischen Lebens nicht ein einziges Mal gelacht habe. Dieses theologische Dogma führte im monastischen Milieu zu einer Verurteilung und Kodifizierung des Lachens. Das Lachen präsentierte sich neben dem Müßiggang als zweite große Bedrohung des Mönchs, aufgrund dessen wurde das Lachverbot in verschiedene Klosterordnungen eingefügt. Die zweite Einstellung geht auf Aristoteles zurück. Dieser Tradition zufolge unterscheidet das Lachen den Menschen vom Tier und ist deshalb ein genuin menschlicher Wesenszug (proprium hominis). Der Mensch definiert sich als ein zum Lachen fähiger Mensch, dessen proprium es ist, dass er lacht (homo risibilis). Wenn man das Gebaren der deutschen Gesellschaft und einigen Politikern lässt den Schluss zu, dass die erste Interpretation des Lachens gerade verfolgt wird. Sind die Menschen in Deutschland also humorloser geworden oder wird etwas ein anderes Ziel verfolgt? Will man etwa das Lachen kontrollieren, aber warum?
Die Macht des Lachens
Lachen befreit, Lachen ist gesund, Lachen tut der Seele gut – Medizinisch und psychologisch gesehen hat das Lachen oder das Lächeln eine enorme Macht. Laut dem niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (Nifbe) ist Humor „die Fähigkeit, Unangenehmes und alltägliche Schwierigkeiten gelassen und heiter zu betrachten“. Humor wird als eine Haltung der Gelassenheit und Heiterkeit bezeichnet. Gefühle der Ernüchterung oder aber der situativ bedingten Traurigkeit können wir nicht gänzlich vermeiden. Wir können allerdings entscheiden, uns von derartigen Gefühlen zu lösen und optimistisch und hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen. Wenn wir unsere Fehler annehmen, können wir eine wertschätzende Atmosphäre schaffen, um den nächsten Herausforderungen gelassener, aber auch mutiger zu begegnen. Das Lachen dient dem Menschen, sich von einer Situation zu distanzieren, seine Angst zu vergessen. Genau das aber wollen Machthaber totalitärer Staaten nicht, denn durch Angst kann man Menschen gut beeinflussen, sie dazu bringen, dass sie auch Dinge tun, die sie nicht tun wollen. Es werden sogar zweifelhafte “Studien“ in die Welt gesetzt, die behaupten, dass Sarkasmus zu Herzproblemen führen kann. Dabei hilft Humor oft, eine Krise zu bewältigen. In der Tat titelt die Süddeutsche Zeitung 2018 einen Artikel über den rechtsradikaler Terror mit den Worten "Humor ist eines der besten Mittel gegen Nazis". Was aber sagen die Nazis dazu?
Erlaubter Humor im Nationalsozialismus
Die Autorin Gudrun Wilcke untersucht in ihrem Buch grundsätzliche Diktatur-Barrieren gegenüber Humor und führt Erscheinungsformen des Humors auf, die im Nationalsozialismus erlaubt waren und spricht über den zum vom NS-System bezweckten Humor als Stimmungsaufheller. Demnach war zwar von 1933 bis 1945 in Deutschland Humor durchaus erlaubt und in vielen Erscheinungsformen auch vorhanden war, allerdings durfte er das NS-System weder kritisieren noch lächerlich machen. Die Grenze zwischen «erlaubt» und «verboten» war fließend. Wer diese Grenzzonen ausreizte, lebte gefährlich. Somit haben die Nationalsozialisten versucht, den Humor, das Lachen zu kontrollieren, da sie über dessen psychologische Macht Bescheid wussten.
Schlussgedanken
„Humor ist, wenn man trotzdem lacht!“ – Das sagte schon Otto Julius Bierbaum, ein deutscher Journalist, Redakteur, Schriftsteller und Librettist. Lachen zu verbieten, das hat schon Jorge von Burgos aus Umberto Ecos „Der Name der Rose“ nichts gebracht. Hat doch der smarte und humorvolle William von Baskerville alias Sean Connery am Ende gewonnen. Wo der Spaß aufhört, beginnt der Humor und auch der Volksmund sagt: „Lachen ist die beste Medizin“. Fakt ist, Witze und Lachen können deeskalierend wirken, Kritik abschwächen, ein Gespräch entkrampfen sowie uns selbst. Es kann akuten Stress abbauen, aber vor allem kann Lachen die Angst bezwingen.
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ABOUT THE CONTROL OF LAUGHTER
The dispute over artistic freedom has once again been reignited in Germany. What is a funny booze song for some is a bone of contention for others. More and more, attempts are being made to dictate to people who, when, and what they can laugh at.
The debate about the song "Layla" is currently stirring things up in Germany. The song by DJ Robin & Schürze has been repeatedly criticized as sexist. In Würzburg, "Layla" was even banned from a folk festival. For the producer Hüftgold alias Matthias Distel this control behavior is incomprehensible, he can not gain anything from the sexism accusation. "The woman is a beautiful role model for beautiful art. Not everything that sings about women is sexism," he writes in his statement, invoking artistic freedom.
Artistic freedom or tastelessness
Humor is an individual trait and has been around for millennia. There are different types of humor, such as sarcasm, comedy, cynicism, satire, wit and black humor. Humorous approaches can be found in many art forms. For example, the cabaret served in the form of satire or polemics socio-critical, comically-entertaining and / or artistically-aesthetically satirize the "political events, instruct mankind, hold their stupidity before them, the Mucker the bad mood off." (Cabaret - Wikipedia) All the more surprising that the action "#allesdichtmachen" at the end of April 2021 caused such a negative response in German society, but especially among politicians. Even more surprising is the sometimes aggressive reaction of many fellow citizens, media and politicians to the German cabaret artist Lisa Fitz, who has been making Germans laugh with her humor since 1983, pulling the wool over the eyes of governments, politicians and institutions - to everyone's amusement. Since 2020, she has now been taking the government's mindless Corona policy for a ride, and now she is considered a right-wing populist. The 3sat channel has banned her from its media library, and the house is in a bad way with SWR. Since when has laughter been banned in Germany? What happened?
Blasphemy or a human trait?
Ernst Robert Curtius, in his 1948 work Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter (European Literature and Latin Middle Ages : Curtius, Ernst R: Amazon.de: Bücher), states that two attitudes toward laughter existed in medieval Christendom. The first tradition developed from the Letter of Lentulus, which stated that Jesus, according to the New Testament, had not laughed once during his earthly life. This theological dogma led to a condemnation and codification of laughter in the monastic milieu. Laughter presented itself as the second great threat to the monk, along with idleness, due to which the prohibition of laughter was inserted into various monastic orders. The second attitude goes back to Aristotle. According to this tradition, laughter distinguishes man from the animal and is therefore a genuinely human trait (proprium hominis). Man defines himself as a person capable of laughter, whose proprium is that he laughs (homo risibilis). If you look at the behavior of German society and some politicians, you can conclude that the first interpretation of laughter is being followed. Have the people in Germany thus become more humorless or is something else being pursued? Do they want to control laughter, but why?
The power of laughter
Laughter liberates, laughter is healthy, laughter is good for the soul - Medically and psychologically, laughter or smiling has enormous power. According to the Lower Saxony Institute for Early Childhood Education and Development (Nifbe), humor is "the ability to look at unpleasant things and everyday difficulties calmly and cheerfully." Humor is described as an attitude of serenity and cheerfulness. We cannot completely avoid feelings of disillusionment or sadness caused by the situation. However, we can decide to detach ourselves from such feelings and look optimistically and hopefully into the future (Psychology: Laughter - Psychology - Society - Planet Wissen (planet-wissen.de), Ist Lachen gesund? | Health Knowledge Foundation (stiftung-gesundheitswissen.de). If we accept our mistakes, we can create an appreciative atmosphere to face the next challenges more calmly, but also more courageously. Laughter serves people to distance themselves from a situation, to forget their fear. But that's exactly what rulers of totalitarian states don't want, because fear is a good way to influence people, to make them do things they don't want to do. Indeed, in 2018, the Süddeutsche Zeitung headlined an article about radical right-wing terror with the words "Humor is one of the best remedies against Nazis" ("Humor is one of the best remedies against Nazis" - Panorama - SZ.de (sueddeutsche.de)). But what do the Nazis have to say about it?
Permitted humor in National Socialism
Author Gudrun Wilcke examines in her book (Erlaubter Humor im Nationalsozialismus (1933-1945) : Wilcke, Gudrun: Amazon.de: Bücher) fundamental dictatorship barriers to humor and lists manifestations of humor that were permitted under National Socialism and talks about the humor intended by the Nazi system as a mood enhancer. According to this, humor was certainly allowed in Germany from 1933 to 1945 and was also present in many manifestations, but it was not allowed to criticize or ridicule the Nazi system. The border between "allowed" and "forbidden" was fluid. Anyone who pushed these boundaries lived dangerously. Thus, the Nazis tried to control humor, laughter, knowing about its psychological power.
Final thoughts
"Humor is when you laugh anyway!" - This was already said by Otto Julius Bierbaum, a German journalist, editor, writer and librettist. To forbid laughter, that already did not help Jorge von Burgos from Umberto Eco's "The Name of the Rose". After all, the smart and humorous William of Baskerville, alias Sean Connery, won in the end. Where the fun stops, the humor begins and also the vernacular says: "Laughter is the best medicine". The fact is, jokes and laughter can have a de-escalating effect, soften criticism, de-stress a conversation as well as ourselves. It can relieve acute stress, but above all, laughter can conquer fear.
Liebe Alex, hier ist die italienische Version. Ein SUPER-ARTIKEL! (wie immer...)
In Italien sind wir praktisch in der gleichen Situation...
Great job... ❤
https://tdml.substack.com/p/sul-controllo-della-risata